Es ist der 8.2.2022 um 19:37 Uhr: Nach einem arbeitsreichen Tag ist das gemeinsame Abendessen fast vorbei. Mal wieder ein “paar” Minuten zu spät zum Abendessen mit der Familie. Zum Glück hat sich dank ausgefallener Kita (Corona sei undank) der Tag der Familie ohnehin verschoben, dennoch war eigentlich 18:30 Uhr geplant. Wie es manchmal passiert, kamen spannende Ideen und Gespräche dazwischen.
Der Sohn (4 Jahre) ist daran interessiert, wie der neue Kollege in Usbekistan aussieht, der jetzt Deutsch lernt (Danke, Wasser und Milch). Kurz LinkedIn öffnen… soweit so “NETSYNO Alltag” … Doch dann ist die erste Nachricht im Feed von einem guten Freund. Einen Freund, den ich an der Uni Karlsruhe (heute KIT) kennen und schätzen gelernt habe. Wir haben unter anderem gemeinsam Entrepreneurship I und II angehört bei Professor Götz W. Werner. Sein Post:
Diese Nachricht lässt mich innehalten: Götz W. Werner, verstorben. Spontan erzähle ich es meiner Familie. Meinem Sohn berichte ich, welche Rolle Götz W. Werner als Professor in meiner und unserer NETSYNO-Unternehmensgeschichte spielt. Der 4-jährige Sohn fragt nach kurzem Nachdenken: “Warum sterben so ein Unternehmer und der Eisbär im Zoo Karlsruhe in der gleichen Woche? Beide sind doch gut.” So einfach wie ehrlich Kinderworte sein können.
Meine spontaner Gedanke war:
Ob es ohne Götz W. Werner unser Unternehmen NETSYNO in der Form gäbe?
Von vorne: Daniel und ich haben NETSYNO (ehemals nwebs) 2008 nach unserem Vordiplom an der Uni Karlsruhe (TH, heute KIT) gegründet. Kennen und schätzen gelernt haben wir uns während der Arbeit in Hochschulgruppen und dann gemeinsam u.a. auch mit Azim und weiteren Gründungsmitgliedern die Vorlesung “Entrepreneurship I + II” besucht.
Als Nachfolger von Reinhold Würth wurde Werner 2003 zum Professor des Instituts für Entrepreneurship am Karlsruher Institut für Technologie (ehemals Interfakultatives Institut für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe (TH)) ernannt und war bis zum Ende seiner Professur am 30. September 2010 dort tätig.
So kamen wir in den Genuss (im wahrsten Sinne des Wortes) seiner Vorlesungen, es war wohl eine der wenigen Vorlesungen im Hauptdiplom, für die wir unser Start-Up Büro verlassen haben. Werners Vorlesungen waren gespickt mit Anekdoten und Weisheiten (Rückblickend Story-Telling at its best) aus seinem Unternehmer-Alltag. Das kann kein Buch vermitteln, das konnte nur Werner selbst. Also ging ich (fast) immer in seine Vorlesung.
Werner kokettierte oft damit, das er kein Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieur oder Informatiker wäre und wenn er eine Firma gründen kann, dann kann das doch jeder. Alles was wir selbst nicht verstehen, dafür sollen wir uns Mitgründer oder Mitarbeiter suchen, so Werner. Das war provokant und zugleich auf den Punkt gebracht: Gemeinsam können wir alles schaffen, einfach machen.
Werner stellte in seinen Betrachtungen immer und konsequent den Menschen, sei es als Gründer, Kollege oder Kunde, in den Mittelpunkt. Er zeigt auf, dass in einer eher technokratischen und von Finanzkennzahlen getrieben Wirtschaft auch ein Wirtschaften mit und für Menschen möglich ist und der Erfolg mit der Drogeriekette dm gibt ihm recht.
Dies motivierte uns seit jeher unsere Unternehmen konsequent an den Menschen auszurichten, die im und am Unternehmen arbeiten und an jenen Menschen, für die wir Dienst leisten. Auch hier hat Werner ein einfaches Bild: So lange ihr beim Abendessen eurer Familie erzählen könnt, was ihr tagsüber arbeitet, ist vieles gut. Dies führt schließlich dazu, dass wir begleitet von Gebhard Borck und Team seit 2017 bewusst auf dem Weg hin zu einer Adaptiven Organisation gegangen sind.
Darüber hinaus ist Werners Blick über den unternehmerischen Tellerrand, sei es bei gesellschaftlichen Fragestellungen wie einem bedingungslosen Grundeinkommen oder bei Fragen zum Sinn und Unsinn von Arbeit, eine Inspiration, das Große und Ganze im Blick zu behalten.
Für diesen wichtigen Impuls zur richtigen Zeit am richtigen Ort danken wir Ihnen Herr Professor Götz W. Werner von Herzen und sind in Gedanken bei Ihren Angehörigen und Freunden.
Herzlichen Dank Herr Professor Götz W. Werner.