Wie viel Remote kann Arbeit?

Als Adaptive Organisation wollen wir unser Unternehmen nach den Bedürfnissen unserer Kunden, Partner und unseres Teams gestalten und so unter anderem unseren Mitgliedern die größte Freiheit bei der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes bieten. Dazu gehört auch die freie Wahl des Arbeitsortes. In der Reihe “10 Fragen an” haben wir bereits Team-Mitglieder aus allen Ecken der Welt vorgestellt. 

In diesem Artikel berichtet nun Paulina über ihre Erfahrungen als digitale Nomadin.

Bei NETSYNO leben und arbeiten wir schon lange ortsunabhängig: Mit einem internationalen Team, das über die Welt verteilt von Deutschland, Bulgarien, Usbekistan, Chile und zeitweise Tunesien, Italien und Indonesien aus arbeitet, ist „remote“ kein neues Konzept für uns. Spätestens seit der Pandemie sind auch die meisten der Kolleg:innen in Deutschland zur Remote-Arbeit gewechselt. Wir haben unsere digitalen Kommunikationswege ausgebaut und Wege geschaffen, sodass trotz Home-Office und Zeitverschiebung alle  Kolleg:innen immer im Austausch stehen. Damit war die Idee des Digitalen-Nomaden-Daseins für mich nicht mehr weit. Warum im Home-Office sitzen und immer den gleichen Hintergrund im Zoom-Call haben, wenn ich meinen Laptop auch einfach mit in die weite Welt nehmen kann? 

Gedacht, getan.

Nach kurzer Absprache im Team, plante ich meine Digitale-Nomadin-Testphase und wollte herausfinden, was ortsunabhängiges Arbeiten wirklich bedeutet und wie realistisch das für mich ist. Und schon ging es los: Zwei Wochen lang habe ich in Medellín, Kolumbien, gearbeitet. Warum Medellín? Medellín entwickelt sich mehr und mehr zu einem Hotspot für digitale Nomad:innen, ähnlich wie Bali und Chang Mai. Und das nicht ohne Grund: Die Stadt des ewigen Frühlings hat eine große Community an Expats, die Locals sind offen und freundlich und das Leben hier ist im Vergleich zu europäischen Standards ziemlich günstig. Es gibt unzählige Hostels, Unterkünfte und Cafés, die sich auf digitale Nomad:innen spezialisiert haben und Co-Working-Spaces bieten. Das W-LAN hier ist teilweise deutlich besser als zu Hause in Deutschland.

Soweit so gut. In der Theorie klingt das alles nach einem Traum: ins Flugzeug steigen, die Welt sehen und nebenbei ein bisschen arbeiten. Was kann da schon schiefgehen?

Ortsunabhängiges Arbeiten hat nichts mit Urlaub zu tun

Das Leben einer digitalen Nomadin oder Remote-Workers hat nichts mit Urlaub zu tun. Das merkte ich spätestens, als ich mir zum ersten Mal den Wecker auf kurz vor 5 stellte, um meine Termine wahrnehmen zu können. Mein Workload ist in Medellín der gleiche wie in Karlsruhe. Obwohl ich mir vorgenommen habe, nur 3 bis 4 Tage in der Woche zu arbeiten (und zwischendurch Urlaub zu machen 😉), pausiert das Alltagsgeschäft nicht einfach, nur weil ich gerade nicht in Deutschland bin. Das hieß für mich, ich musste meine Tage und anstehenden Aufgaben gut planen: Was muss zur „deutschen“ Arbeitszeit erledigt sein, wer braucht wann Rückmeldung von mir und was kann ich erledigen, wenn Deutschland schläft?

Für mich sah der Tag in Kolumbien dementsprechend ungefähr so aus: von 6:00 Uhr bis 12:00 Uhr (13:00 Uhr – 19:00 Uhr CEST) war ich für Kolleg:innen und Kund:innen erreichbar und arbeitete mein Tagesgeschäft ab. Nachmittags lebte ich das Leben einer Touristin und abends konnteich alles Liegengebliebene abarbeiten.

Work-Life-Balance braucht man auch woanders

Nur weil man nicht zu Hause ist, ist die Work-Life-Balance nicht gleich ausgeglichen. Vor allem als Remote-Worker kann sich hier schnell ein Ungleichgewicht einschleichen: Arbeitete ich zu viel, hatte ich das Gefühl, ich verpasse all die Eindrücke und Erfahrungen, die ich an diesem mir fremden und neuen Ort doch eigentlich sammeln müsste. Arbeitete ich zu wenig, hatte ich das Gefühl, die Kolleg:innen zu Hause im Stich zu lassen und mich hier auf der faulen Haut auszuruhen. Dem versuchte ich ganz bewusst entgegenzuwirken: durch meine Arbeitspausen und den Wechsel in die Rolle als Touristin und Urlauberin am Nachmittag. Ich nahm mir bewusst Zeit, all den touristischen Aktivitäten nachzugehen und digitale Nomad:innen, Expats und Locals kennenzulernen und mich auszutauschen.

Der richtige Co-Working-Space ist Gold wert

In meinem Arbeitsalltag telefoniere ich viel mit Kolleg:innen und Kund:innen. Das heißt, ich bin auf eine ruhige Arbeitsumgebung angewiesen. So romantisch die Vorstellung von der Arbeit im Café oder in der Hängematte am Strand auch sein mag – ab und zu ist ein ruhiges Arbeitszimmer mit Tür (!) unabdingbar. Vor allem in Kolumbien, wo gefühlt alles grundsätzlich ein bisschen lauter ist.

Glücklicherweise war mein Hostel, das Masaya Hostel, hier bestens ausgestattet: Es gab ein ganzes Stockwerk mit Arbeitsplätzen in Großraumbüros und kleinen separaten Meeting- und großen Konferenzräumen, in die man sich stundenweise einschließen konnte.

Während meiner „Meetingfreien-Zeit“ arbeitete ich aber tatsächlich gerne in Cafés zwischen all den anderen digitalen Nomad:innen. Die geschäftige Atmosphäre und das Umgebensein von Gleichgesinnten war motivierend und gab mir das Gefühl nicht allein zu sein. 

Fazit

Würde ich nochmal als digitale Nomadin arbeiten? Absolut! Sofern die richtige Infrastruktur gegeben ist, steht dem ortsunabhängigen Arbeiten für mich nichts im Weg. 

Die Eindrücke, Erfahrungen und Begegnungen mit inspirierenden und spannenden Menschen, die ich allein in den zwei kurzen Wochen gemacht habe, sind zahllos. Ich ermutige jede/n Arbeitnehmer/in und Arbeitgeber/in, sich der Idee von ortsunabhängiger Arbeit zu öffnen. Mit der richtigen Mischung aus Planung und Flexibilität bringt das (zeitweise) Leben als digitale/r Nomade/in eben auch die gleichen Vorteile der Remote-Arbeit (klassisch Home-Office) mit: Zufriedenheit, Zeitersparnis und unter Umständen sogar Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf. Und glückliche Mitarbeiter:innen machen einfach bessere Arbeit 🙂