Während der Corona-Pandemie trugen Testzentren und kostenlose Bürgertests zur Eindämmung des Corona-Virus maßgeblich bei. Testzentren konnten die erbrachten Bürgertests über die kassenärztliche Vereinigung abrechnen. Nun schätzt das Landeskriminalamt (LKA) Berlin den bundesweiten Schaden durch Abrechnungsbetrug von Corona-Testzentren auf bis zu 1,2 Milliarden Euro. Trotz dieser enormen Summe gibt es bis heute keine flächendeckende, standardmäßige Überprüfung, ob abgerechnete Tests wirklich stattgefunden haben.
NETSYNO hat mit der Software-Lösung Schnelltest-Straße by NETSYNO über 1.000 Testzentren deutschlandweit, darunter renommierte Kunden wie dm Drogeriemarkt oder HELLA, mit einer digitalen Lösung zur Durchführung und Dokumentation von über 5 Millionen Tests unterstützt. Auf Grundlage dieser Erfahrung und der Menge an Vergleichswerten hat NETSYNO eine Software „Eagle Eye by NETSYNO“ entwickelt, die bei der Aufdeckung des Abrechnungsbetrugs und zur Unterstützung der Datenanalyse in laufenden Verfahren eingesetzt werden kann.
Dazu hat unser Gründer und Geschäftsführer Jonathan Denner mit dem Magazin DeKom in einem Interview gesprochen. Das Interview erschien erstmalig im Magazin.
Herr Denner, Ihr Unternehmen NETSYNO unterstützte die Betreiber von Corona-Testzentren mit einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Software bei der Abwicklung von mehr als fünf Millionen Corona-Schnelltests. Jetzt helfen Sie Ermittlungsbehörden bei der Aufdeckung möglichen Abrechnungsbetrugs …
Wir konnten mit unserem Dienst „Schnelltest-Straße by NETSYNO“ bereits während der Pandemie tiefe Einblicke in Testzentren und deren Abläufe gewinnen und können jetzt auf diese wertvollen Erfahrungen zurückgreifen, die zur Aufklärung möglichen Abrechnungsbetrugs natürlich sehr hilfreich sind.
Sie haben eine Software „Eagle Eye by NETSYNO“ entwickelt, die dabei helfen kann Abrechnungsbetrug im Zusammenhang mit Coronatests aufzudecken. Wie kann man sich das vorstellen?
Mit unserer Software „Eagle Eye by NETSYNO“ lassen sich zwei Ansätze verfolgen. Wir können anhand der Abrechnungsdaten einen Anfangsverdacht feststellen und wir können „verdächtige“ Daten im Rahmen von Ermittlungsverfahren analysieren und als Sachverständige entsprechende Gerichtsgut-achten erstellen. An dieser Stelle sei gestattet anzumerken, dass die Idee zu „Eagle Eye“ in Gesprächen mit diversen Partnern rund um unsere Schnelltest-Straße by NETSYNO entstanden ist.
Greifen die mit der Überprüfung der Abrechnungen befassten Behörden und Stellen auf Ihre Expertise zurück?
Bezüglich bereits behördlich festgestellter Verdachtsfälle – etwa durch Meldungen von Banken wegen Auffälligkeiten bei Überprüfungen nach dem Geldwäschegesetz oder von Bürgern, die Testzertifikate ohne vorherige Testung erhielten – kommen die Ermittler jetzt vermehrt auf uns zu und beauftragen uns mit der Analyse und Begutachtung der im Zuge von Ermittlungsverfahren beschlagnahmten Datensätze. Erheblich mehr Zurückhaltung spüren wir, wenn es um die flächendeckende Erhebung von Fällen mit einem Anfangsverdacht geht.
Woran liegt das? Wäre der Aufwand für die Behörden zu groß, Ihnen die dafür benötigten Daten zur Verfügung zu stellen?
Keineswegs. Um einen ersten Anfangsverdacht zu ermitteln, reichen uns dafür schon die an die Kassenärztlichen Vereinigungen und Gesundheitsämter gemeldeten Zahlen aus. Nach der Testverordnung sind die Betreiber der Testzentren dazu verpflichtet, alle abrechnungs-relevanten Daten bis Ende 2024 vorzuhalten und bei einer möglichen Überprüfung im Rahmen eines Verwaltungsfahrens vorzulegen. Wir können dieses Verfahren komplett digital darstellen – von der Aufforderung an die Schnellteststraßen-Betreiber, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, über die Ermittlung eines möglichen Anfangsverdachts bis hin zur entsprechenden Meldung verdächtiger Fälle an die beauftragende Behörde.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums werden derzeit rund zwei Prozent der Fälle einer Plausibilitätsprüfung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen unterzogen. Ihre Software schafft mehr?
In der Tat. Wir können auf die gerade beschriebene Weise 80 bis 90 Prozent aller Schnellteststraßen mit sehr überschaubarem Aufwand auf verdächtige Fälle prüfen. Das käme einer nahezu flächendeckenden Überprüfung gleich. Demgegenüber kann bei den zwei Prozent der Fälle, die von den KVen aktuell – so unser Informationsstand – auf Plausibilität geprüft werden, allenfalls von Stichproben die Rede sein.
Für die Plausibilitätsprüfungen ziehen die KVen nach unseren Informationen vor allem eine Berechnung des RKI heran, nach der ein Test im Schnitt knapp sechs Minuten dauert und damit am Tag pro Mitarbeiter:in bei einer Öffnungszeit von zwölf Stunden kaum mehr 120 Testungen möglich sind. Klingt einleuchtend…
Das ist tatsächlich ein brauchbarer Ansatz – aber eben auch nur einer von vielen mit ähnlicher Aussagequalität. Zum Vergleich: Unser Algorithmus verarbeitet und prüft bis zu 15 weitere Parameter. Am prominentesten ist in diesem Zusammenhang sicher die Positivrate. Die meisten Schnelltestzentren, die betrogen haben, hatten schlicht zu wenig positive Tests gemeldet. Allein anhand dieses naheliegenden Merkmals könnten viele Unregelmäßigkeiten, die einen Anfangsverdacht begründen – identifiziert werden – auch in der Fläche. Wenn aber nur zwei Prozent der Fälle überhaupt auf Plausibilität geprüft werden, bleiben viele Betrügereien von vornherein unentdeckt.
Woran hapert es Ihrer Meinung nach?
Das ist im Grunde sehr einfach. Es fehlt aus unserer Sicht eigentlich nur an einer Stelle oder Behörde, die das entsprechende Verwaltungsverfahren an sich zieht, durchführt und eine flächendeckende Überprüfung sämtlicher Datensätze aller Schnellteststraßen veranlasst. Das lässt sich alles digital darstellen. Der Aufwand ist – wie schon erwähnt – sehr überschaubar.