Spannende Vorträge über (digitale) Parallelwelten beim Colloquium Fundamentale

Von abgeschotteten Diaspora-Gemeinschaften über kriminelle Vereinigungen bis hin zu Hinterzimmer-Politik und unseren persönlichen, digitalen Filterblasen – es gibt unterschiedliche Parallelwelten. Deren Konstellationen sowie die möglichen Gefahren oder Chancen für unseren demokratischen Rechtsstaat hinterfragte das Colloquium Fundamentale „Parallelwelten – eine Gefahr für die Demokratie?“ im Wintersemester 2017/18, eine Veranstaltungsreihe des Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Wir bei NETSYNO haben die Erfahrung gemacht, dass ein Blick über den eigenen Tellerrand immer ganz gut tut. Und deshalb beschäftigen wir uns mit den nicht-technischen Aspekten der Digitalisierung und holen uns frischen Input, zum Beispiel aus Veranstaltungen und Vorträgen des KIT. Alle Informationen zu der Veranstaltungsreihe und ihren Referenten findet sich auf http://www.zak.kit.edu/cf_ws1718.php. Im Folgenden wollen wir drei Vorträge vorstellen, die wir besonders interessant fanden.

Verteidigung von Grundwerten und Grundrechten in der digitalen Welt

Peter Schaar, Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) und ehemaliger Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, spricht in seinem Eröffnungsvortrag über Datenschutz und Datensammelwut, Informationsfreiheit und Bürgerrechte in Zeiten der Digitalisierung.

Schaar erinnert daran, dass die Informationen, die wir online finden oder die uns „angezeigt“ werden, mitunter davon abhängen, wie wir zuvor im Internet aktiv waren und welche Unternehmen welche Daten von uns gesammelt haben. Dazu erzählt er von konkreten Beispielen aus dem Alltag, anhand derer eine individualisierte Preisdifferenzierung zu beobachten ist, beispielsweise bei der Buchung eines Fluges. Verschiedene Personendaten (auch Hard- und Softwareinformationen) werden zusammengeführt und dazu genutzt, für Produkte unterschiedliche Preise in Onlineshops anzuzeigen. Wer demnach mit einem Apple MacBook im Internet surft, dem können auf bestimmten Seiten höhere Preise angezeigt werden als jemandem, der mit einem 6 Jahre alten Microsoft-PC unterwegs ist. Unternehmen beurteilen mit diesen Daten also nicht nur die Interessen von potenziellen Käufern, sondern auch deren finanzielle Situationen und Kaufkraft.

„Der Überwachungs- und Manipulationsfreiraum wird immer kleiner.“, resümiert Schaar. Und er warnt: Wenn Menschen ohnehin wegen ihrer Nationalität, ihrer Religion oder auf Grund ihres Geschlechts diskriminiert werden, dann wird sich diese Diskriminierung auch online und in den gesammelten Daten widerspiegeln bzw. wie diese Daten genutzt werden.

Filterblasen anstatt Meinungsvielfalt?

Prof. Dr. Wolfgang Schweiger, Leiter des Fachgebiets für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, spricht in seinem Vortrag über Medienkompetenz in Zeiten von Filterblasen, Fake News und Shitstorms. Er stellt die Frage, ob das Internet die Menschen noch informiert oder nicht vielmehr desinformiert. Denn lange waren journalistische Medien, alternative Medienangebote und die öffentliche Kommunikation unter Bürgerinnen und Bürgern getrennt. In Facebook, YouTube, Google und Co. vermischen sie sich aber zunehmend. Nachrichten, Fake News, Verschwörungstheorien und Hasskommentare stehen direkt nebeneinander. Überfordert das unsere Medienkompetenz?

Geschichtlich betrachtet war es vor 10 oder 20 Jahren auf jeden Fall leichter, journalistische Medien von alternativen Medien zu unterscheiden. Heute ist es als Internetnutzer nicht mehr so einfach die verschiedenen Medienangebote voneinander zu differenzieren, was unter anderem daran liegt, dass alternative Medien immer professioneller auftreten. Das ursprüngliche Monopol des Journalismus als Gatekeeper gibt es in dieser Form nicht mehr. Stattdessen leben wir zunehmend in einer Filterblase: Plattformen wie Google, Facebook und Twitter füttern uns täglich mit nach unseren Interessen vorgefilterten Nachrichten und Informationen und stellen immer größere Herausforderungen an unsere eigene Medienkompetenz.

„Darknet“: Zwischen Cybercrime und Ort der Meinungsfreiheit

Moritz Bartl ist Vorstand der Stiftung Erneuerbare Freiheit, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, individuelle und kollektive Freiheitsrechte zu schützen, insbesondere im Bereich der digitalen Gesellschaft. In seinem Vortrag geht Bartl darauf ein, was das Darknet eigentlich ist und welche Vor- bzw. Nachteile sich aus der anonymen Kommunikation im Darknet ergeben.

Das Darknet zeichnet sich durch die Möglichkeit aus, dort anonym kommunizieren zu können. Um hervorzuheben, welche (demokratischen) Vorteile eine anonyme und damit freie Kommunikation hat, geht Bartl anfangs zunächst auf darauf ein, wie unterschiedlich das Internet in verschiedenen Ländern genutzt wird bzw. welche unterschiedlichen Gesetze für Internetnutzer weltweit existieren. Anhand verschiedener Beispiele, wie das neue Punktesystem in China, stützt Bartl seine These, dass in Zukunft immer mehr Daten von Internetnutzern gesammelt und nutzbar gemacht werden.

Bei der Debatte um das Darknet und die Vor- bzw. Nachteile einer anonymen Kommunikation, geht es also auch um die Frage, wie wir uns der Entwicklung hin zum gläsernen Menschen entziehen können. Bartl bemängelt, dass bei der Diskussion meist unverhältnismäßig stark auf politische Aspekte der anonymen Kommunikation eingegangen wird und hier Freiheit gern mit Kriminalität assoziiert wird. Dabei geht es ihm vielmehr um die gesellschaftlichen und demokratischen Vorteile, wenn nicht sogar Grundbedürfnisse und die zentrale Frage, wie viel Freiheit wir bereit sind für (eine vermeintliche) Sicherheit einzutauschen.

Das Colloquium Fundamentale des KIT bietet jedes Semester ein neues Thema, zu dem interessante und namhafte Gäste referieren. Mehr Informationen sowie das jeweilige Semesterprogramm finden sich auf http://www.zak.kit.edu/colloquium_fundamentale.